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4.1 Rückblick
Die ersten nicht kreisrunden Drechselstücke entstanden offensichtlich in der Renaissance auf Drehbänken, deren Spindeln durch Kurvenscheiben gesteuert wurden, und zwar sowohl in radialer wie auch axialer Richtung. Davon gibt es Zeichnungen, wie zum Beispiel die in Bild 3101, die allerdings maschinenbautechnisch wenig realistisch erscheinen. Das Prinzip der Bewegungssteuerung wurde später bei den Quer- und Längspassig-Drehbänken angewendet, auf denen dann mittels entsprechender Kurvenscheiben auch Rosetten und andere komplizierte Profile erzeugt werden konnten. Darauf basierte die Kunstdrechselei oder Ornamental-Dreherei (Ornamental Turning), für die es bis heute Gesellschaften in England und den USA gibt, die Society of Ornamental Turning [6.4]. Dort wird auch bis heute gelegentlich das Ovaldrehen gepflegt, allerdings mit rotierenden Schneidmessern und Fräsern.
Bild 3101 Drechselbank zum Oval- und Passigdrehen nach Salomon de Caus: Von gewaltsamen Bewegungen. Frankfurt 1615 In England hatte sich der Elsässer Karl (Charles) Holtzapffel niedergelassen und Drechselbänke für Nobelmänner gebaut. Eine solche Holtzapffel-Drehbank, gebaut 1865, schenkte Queen Victoria 1886 dem Erzherzog Otto von Habsburg zur Hochzeit. Sie ist mit dem gesamten umfangreichen Zubehör in Wien erhalten geblieben. Bild 3102 zeigt das zugehörige Ovalwerk. Seine Handhabung hat Holtzapffel im 5. Band seines Werkes beschrieben [1.2.1]. ![]()
Bild 3102 Ovalwerk der Holtzapffel –Drehbank von Otto von Habsburg, Wien1886 [1.1.3]
Bild 3103 Schwere Metalldrückbank für ovale Schalen, Pfannen und derg.(Erdmann Kircheis, Aue/Sachsen)
In Deutschland wurden bis etwa 1950 Ovalwerke des klassischen Typs hergestellt. Sie werden als Zusatzeinrichtung an die Drehbank geschraubt. Es wurden aber auch Ovaldrehmaschinen als Einzweckmaschinen angeboten. Für das Formen ovaler Platten und Teller aus Porzellanmasse und zum Drücken ovaler Schalen auf Metalldrückbänken (Bild 3103) wurde ebenfalls das Prinzip des klassischen Ovalwerkes angewandt. In zahlreichen Patenten sind Verbesserungen des klassischen Ovalwerkes beschrieben. Das Ziel der Erfindungen war meist, die Gleitpaarungen und damit das Schmieren zu vermeiden, und zuletzt auch, die Unwucht zu kompensieren und damit einen ruhigeren Lauf zu erlangen. Das ist erst mit der Ovaldrehmaschine ODM von J.Volmer erreicht worden [2.1.9]. Mit dem Prinzip der ODM hat VICMARC/ Australien [5.1] ein Ovalturning Device (OVD) als Zusatzeinrichtung für Drechselbänke angeboten, während Dan Bollinger / USA [6.3] damit für eigene Zwecke eine komplette Ovaldrehmaschine gebaut hat. Das Volmer-Ellipsengetriebe der ODM wird ebenfalls in der kleinen Ovaldrehmaschine picOval des Drechselzentrums Erzgebirge SteinertÒ [5.4] verwendet.4.2 Oval durch QuerpassigdrehenEine Querpassig-Drechselbank zum Drehen von Ovalen hat einen schwenkbaren Spindelstock wie in Bild 3201 und auf der Spindel eine elliptische Kurvenscheibe (Patrone), die sich durch Federzug gegen eine im Gestell gelagerte Rolle abstützt.
Bild 3201 Quer-Passig-Spindelstock mit ovaler Kurvenscheibe P Patrone, W Werkstück
Bild 3202
4.3 Das Klassische OvalwerkDie Erfindung des klassischen Ovalwerkes wird Leonardo da Vinci (1452 - 1519) zugeschrieben, konnte aber anhand seiner zahlreichen hinterlassenen Skizzen bislang nicht nachgewiesen werden. Es beruht auf der Doppelschleife [6.5], der kinematischen Umkehr des Doppelschiebers, der als Ellipsenzirkel (englisch trammel) benutzt wird. Bild 3301 zeigt das kinematische Schema der Doppelschleife und Bild 3302 ihre konstruktive Gestaltung als Ovalwerk. Teile gleicher Nummer in beiden Bildern entsprechen sich, Teile gleicher Farbe sind fest miteinander verbunden
Bild
3301 Doppelschleife [6.5],
kinematische Umkehrung des Doppelschiebers
(Ellipsenzirkel)
Bild 3302 Einzelteile des klassischen Ovalwerkes (Explosionsdarstellung)
Der Antrieb erfolgt an der Spindel S. An ihr
sitzt die Scheibe 2, die in ihren Schwalbenschwanz-Führungen T2 den
Schieber 3
trägt. An ihm ist das Werkstück W befestig. Am Schieber 3 sind fest die
parallelen Führungen T3, in denen der Ring 4 mit seinen
parallelen
Außenflächen gleitet. Der Ring 4 dreht sich auf dem Schlagring R.
Dieser ist
mit seiner Platte AP in einer am Spindelstock 1 festen Führung BP
einstellbar
befestigt. Die Einstellung richtet sich nach der gewünschten
Halbachsen-Differenz
d. Das ist der Abstand der Achsen A und B. Der maximal einstellbare
Abstand ist
ein kennzeichnender Parameter des Ovalwerkes.
Bild 3303 Ovalwerk der Firma Alexander Geiger, Ludwigshafen, um 1930. Im Besitz von Mike Darlow, Australien In einigen deutschen Drechslerwerkstätten und Ausbildungsstätten, wie in der Berufsschule für Holzspielzeugmacher und Drechsler in Seiffen/Erzgebirge [5.6] oder in der Drechslerschule Schiers/Schweiz [5.7], sind noch Ovalwerke dieser Art im Gebrauch. Sie erinnern an eine einst sehr gepflegte, anspruchsvolle Drechseltechnik. Es wurden auch Ovaldrehbänke gebaut. Ovalwerk und Spindelstock bildeten eine Einheit. Sie hatten als Einzweckmaschinen gegenüber dem bei Bedarf an die Drehbank anschraubbaren Ovalwerk wesentliche Vorteile. Oft hatten sie ein massives Fundament, um die Unwuchtkräfte aufzunehmen, die aus der Ellipsenbewegung resultieren. Es gab viele Bestrebungen, die Unwuchtkräfte des Ovalwerkes auszugleichen, um einen ruhigen Lauf der Maschine zu erreichen und den sehr störenden Einfluss auf den Ovaldreher zu beschränken. Diesem Problem waren verschiedene Erfindungen gewidmet. Praktische Lösungen hatte die Firma A. Geiger. Eine theoretisch exakte Lösung hat die USA-Firma Pryibil 1909 gebaut. Diese Ovaldrehmaschinen waren mit einem genialen, aber sehr komplizierten Getriebe ausgestattet und damit sogar im Lauf verstellbar (Bild 3304). Offensichtlich ist kein Exemplar dieser Maschinen erhalten geblieben.
Bild 3304 Ovaldrehmaschine
Eine getriebetechnische
Analyse [2.1.2] hat ergeben, dass der Unwuchtausgleich sehr einfach zu lösen ist
(Bild 3305). Man darf annehmen, dass der Schwerpunkt der Masse m des
elliptischen Werkstückes einschließlich der Spannvorrichtungen im Mittelpunkt M
der Ellipse liegt. Dieser bewegt sich, wie die Ellipsenbewegung zeigt (Bild
1101), auf einen Kreis k mit dem Radius r = (a - b)/2. Es entsteht daraus eine
konstante Fliehkraft F. Diese kann durch die Fliehkraft FC einer
diametral im Abstand rC fest angeordneten Ausgleichsmasse mC
kompensiert werden. Es gilt die Beziehung mC rC = m r. Die
Ausgleichsmasse rotiert um die Spindelmitte M0 mit doppelter Drehzahl
des Werkstückes. Bild 3305 Trägheitskräfte der Ellipsenbewegung am Ovalwerk
Eine
Ovaldrehvorrichtung (ODV) mit
Unwuchtausgleich wurde von J. Volmer konstruiert,
Bild
3306
4.4 Ovaldrehmaschinen (ODM)Die Ellipsenbewegung (Bild 1101) wird bei der Volmer- Ovaldrehmaschine (ODM) durch ein Ellipsengetriebe folgenden Aufbaus erzeugt (Bild 3401). Die Antriebsspindel trägt auf ihrem Spindelkopf SK die Stegscheibe SS. Auf dieser ist die Platte PL einstellbar befestigt.
Der mit der Platte PL von 0 bis maximal 30 mm einstellbare Abstand der Mittellinie
des Achsbolzens
AB von der Spindelmittenlinie entspricht der
halben Halbachsendifferenz der
zu drehenden
Ellipsen. Auf dem Achsbolzen AB ist die Nabe NA gelagert. Sie trägt die
Planscheibe PS oder ein Spannfutter und damit das Werkstück, und
sie wird über
das Zahnriemenrad R4 und den Zahnriemen
ZR2 angetrieben. Diese Drehung
wird von dem feststehenden Zahnriemenrad R1 über den
Zahnriemen ZR1 und die
miteinander verbundenen Zahnriemenräder R2 und
R3 abgeleitet. Während einer
Umdrehung der Stegscheibe SS dreht
sich die Planscheibe PS eine halbe
Umdrehung.
Mit dem Exzenter
EX1 wird die
Spannung des Zahnriemens ZR1 eingestellt. Die Spannrolle SR
spannt den
Zahnriemen ZR2 über den Exzenter EX2. Die Gegenmasse GM kompensiert die
ständige Unwucht durch die Massen der
Zahnriemenräder R2 und R3 und
der Spanrolle SR.
Die Ausgleichmassen AM werden nach Größe und Position entsprechend der
Massen eingestellt, die die Platte PL trägt. Die Masse des
Werkstückes und
des jeweiligen Spannfutters müssen dafür bekannt sein. Aus einfachen
Diagrammen
in der Bedienungsanleitung werden die Parameter abgelesen;
Rechnungen sind
nicht erforderlich.
Dan
Bollinger, USA, hat eine komplette Ovaldrehmaschine mit einem variierten Volmer-Ellipsengetriebe
gebaut.
Die Achsendifferenz (sway) der zu drehenden Ellipse kann große Werte
haben.
Bild 3405 Bollinger Ovalturning Lathe (BOTULA ) [6.3]
Vom Drechselzentrum Erzgebirge Steinert® [5.4] wurde im März 2006 die Ovaldrehmaschine picOval vorgestellt.Sie ist für eine maximale Differenz der Ellipsenachsen (sway) von 80mm ausgelegt.
Bild 3406 Ovaldrehmaschine picOval |